Alles, was Sie über das BMW M3/M4 Bremssystem wissen müssen

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Interview mit M Ingenieur Klaus Dullinger über die neue Bremsanlage für den BMW M3 und M4

Sowohl der BMW M3 als auch der BMW M4 verfügen über eine neuartige Bremsanlage. Beginnen wir mit der M Compound-Bremse – was ist das Besondere an ihr und worin unterscheiden sie sich von der M Compound-Bremse des Vorgängermodells?

Klaus Dullinger: M Compound-Bremsen haben einen schwimmend gelagerten Grauguss-Reibring, der über Stifte mit dem Aluminium-Bremsdeckel verbunden ist. Durch das Stiftpaket kann es sich bei steigender Temperatur in radialer Richtung frei ausdehnen und anschließend ohne bleibende Verformung wieder abkühlen. Dieses Verbindungssystem kommt seit der zweiten Generation des BMW M3 zum Einsatz.



Anders beim neuen BMW M3 und BMW M4 sind nun Festsattelbremsen an Vorder- und Hinterachse verbaut, mit vier Kolben vorn und zwei hinten. Der Vorgänger hatte schwere Einkolben-Faustsättel.

  m Carbon-Keramik-Bremsen

Müssen M Compound-Bremsen bei Neuteilen eingefahren werden?

Ja. Autofahrer sollten bei der ersten Tankfüllung zurückhaltender fahren und maximale Verzögerungen möglichst vermeiden.

Was passiert auf diesen ersten 500 Kilometern?

Es handelt sich um die sogenannte „Aufbettung“ der Bremsanlenkung auf dem Reibring: Es ist notwendig, dass sich die beiden Flächen aneinander anpassen. Außerdem nutzt sich der 20 µm dicke Kreuzschliff neuer Bremsscheiben ab, was die Auflage des neuen Bremsbelags auf der neuen Scheibe begünstigt.

  m Compound-Bremsen

Reibring der M Compound Bremse.

Warum sieht man gerade bei gelochten Bremsscheiben gelegentlich leichte Risse?

Risse entstehen insbesondere überall dort, wo relativ kalte Scheiben plötzlich stark belastet werden. Die auftretenden Risse sind auf die Oberflächenbereiche beschränkt. Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem voll beladenen Auto längere Zeit ungebremst auf der Autobahn gefahren sind und plötzlich zu einer Notbremsung aufgefordert werden, wird die Bremsscheibe innerhalb kürzester Zeit sehr heiß – in einem solchen Fall kann die Temperatur von etwa 20 Grad auf 450 Grad ansteigen. Wird die Bremsscheibe auf diese Weise mehrmals schnell hintereinander gefordert, kann es durchaus zu Oberflächenrissen im Gussmaterial des Reibrings kommen – insbesondere im Bereich der Perforationslöcher. Bei Sportwagen sind solche Risse vor allem ein Zeichen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch und haben keinen negativen Einfluss auf die Lebensdauer der Bremsscheibe oder deren Bremsleistung. Wenn es an der Zeit ist, die Bremsbeläge zu wechseln, muss der Autohändler auch die Bremsscheibe inspizieren.

Wird es für die M Compound-Bremsen des neuen BMW M3 und BMW M4 wieder Racing-Beläge geben?

Ja, ein neuer Sportbelag wird unter dem Namen „M Performance Sportbremsbelag“ erhältlich sein; diese wurde direkt neben den neuen Bremsen entwickelt.

Was sind die Vor- und Nachteile dieser Sportpads?

Die Lebensdauer dieser Beläge ist bei rennstreckentypisch hohen Temperaturen deutlich länger. Während der Standardbelag bei hohen Temperaturen einen Reibwertabfall, das sogenannte Fading, aufweisen kann, ist der Reibwertwert von Sportbelägen deutlich stabiler.

Generell können bei jeder Hochleistungsbremse unter bestimmten Fahrbedingungen Betriebsgeräusche entstehen. Allerdings verzichten wir bei den Sportbelägen auf jeglichen Komfortfaktor bei den Fahrzeugkomponenten, so dass erhebliche Bremsgeräusche für den Nutzer einfach eine Selbstverständlichkeit sind.

Sportbeläge sind teurer und wirken deutlich heftiger auf die Bremsscheiben. Der Scheibenverschleiß ist um ein Vielfaches höher als bei Standard-Bremsbelägen. Deshalb verlangen wir, dass bei jedem Einbau eines Satzes Sportbeläge auch neue Bremsscheiben verbaut werden müssen. Aus diesem Grund werden wir Sportbelag-Kits anbieten, bestehend aus den eigentlichen Belägen plus den benötigten Bremsscheiben.

Warum ist es so wichtig, nach dem Fahren auf der Rennstrecke eine Auslaufrunde zu fahren?

Es ist sehr wichtig, dass das Material in den Bremskomponenten Zeit hat, sich im Luftstrom abzukühlen. Wenn Sie Ihr Auto abstellen, während an den Bremsscheiben noch Temperaturen von 500 Grad herrschen, überträgt sich die erhebliche Hitze auf das gesamte Bremssystem. Und auch die Bremsbeläge nehmen die Energie der heißen Bremsscheiben auf. Die Wärmeübertragung erfolgt durch die Rückenplatte und Dämpfungsplatten der Standardbeläge in die Bremssättel. Neben der Dämpfungsschicht der Dämpfungsbleche können auch die Kolbendichtungen und Staubschutzbleche sowie die Oberflächenbeschichtung der Bremssättel beschädigt werden. Das Abkühlen der Bremse im Stand ist bei bis zu 500 Grad heißen Bremsscheiben äußerst ungünstig. Durch eine Abkühlrunde sinkt die Bremstemperatur in der Regel auf unter 200 Grad.

Treten im normalen Fahrbetrieb so hohe Temperaturen auf?

Nein, normalerweise treten solche Temperaturen nicht auf, wenn ein Fahrzeug normal verwendet wird. Es müssten mehrere Bremsmanöver in schneller Folge von voller Geschwindigkeit bis zum Stillstand durchgeführt werden, bevor solche Werte erreicht würden.

M Carbon-Keramik-Bremsen.

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Reibring der M Compound Bremse.

Für den neuen BMW M3 und BMW M4 sind erstmals auch M Carbon-Keramik-Bremsen erhältlich. Was sind die Vorteile dieser Bremsen?

Die rotierenden Massen der M Carbon-Keramik-Bremsen sind rund 12,5 kg leichter als bei den serienmäßigen M Compound-Bremsen.

Andererseits sind diese Bremsen deutlich leistungsstärker dimensioniert. Das heißt, statt 18 M Compound-Bremsen verbauen wir 19 M Carbon-Keramik-Bremsscheiben. An der Vorderachse setzen wir einen Sechskolben-Bremssattel und an der Hinterachse eine Vierkolben-Festsattelbremse ein. Die Angriffsflächen der Bremsbeläge sind deutlich höher. Damit bietet die M Carbon-Keramik-Bremse ein deutliches Plus an Performance. So bietet die M Carbon-Keramik-Bremse gerade auf der Rennstrecke mehr Stabilität.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Scheibe weniger korrosionsanfällig ist, wodurch sich kein Flugrost auf dem Reibring bildet, wie man ihn von Graugusskonstruktionen kennt.

Bei konventionellen Bremsscheiben tritt Korrosion eher bei geringen Laufleistungen, langen Standzeiten und geringer Beanspruchung auf, da das Mindestlastniveau zum Auslösen der Selbstreinigung der Scheibenbremse nicht erreicht wird. Korrodierte Bremsscheiben erzeugen beim Bremsen einen Schleifeffekt, der sich in den meisten Fällen nicht mehr entfernen lässt.

Bei M Carbon-Keramik-Bremsen tritt dies jedoch nicht auf, da diese kein Problem mit Korrosion haben.

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Bereits im Neuzustand sind – bedingt durch die unterschiedliche Materialzusammensetzung von Reibschicht und Scheibenkörper – die Reibflächen mit einer ausgeprägten Spannungsabbaustruktur überzogen.

Außerdem unterliegen sie einem geringeren Verschleiß. Die Bremsbeläge verschleißen langsamer, und bei normalem Gebrauch hält die Carbon-Keramik-Bremsscheibe so lange wie das Auto selbst; die Siliziumkarbid-Reibschicht ist nahezu verschleißfrei. Auf der Rennstrecke können die Bremsscheiben jedoch einem oxidativen Verschleiß unterliegen. Wenn die Scheiben wiederholt auf Temperaturen von 600 Grad und mehr erhitzt werden, verbrennen die Fasern innerhalb der Bremsscheibe.

Dadurch wird die Scheibe nicht immer dünner, sondern leichter. Um zu erkennen, inwieweit dieser aufgetreten ist, werden drei Verschleißindikatoren pro Reibbelag in einem Winkel von 120 Grad auf die Scheibe aufgebracht. Dadurch kann der Händler erkennen, wenn Scheiben einem hohen Grad an oxidativem Verschleiß ausgesetzt waren. Anschließend nimmt der Bremsbelagservice die Bremsscheibe heraus und wiegt sie. Unterschreitet sie das zulässige Mindestgewicht, muss die Scheibe ausgetauscht werden.

Gibt es Nachteile bei Carbon-Keramik-Bremsen?

Der Produktionsprozess ist viel komplexer. In einem Schritt wird der Reibring für 24 Stunden bei 1.300 Grad silikonisiert.

Die kohlefaserverstärkte Siliziumkarbid-Bremsscheibe hat beim Hersteller eine Gesamtdurchlaufzeit von mehreren Wochen, bis sie fertig ist.

Das erklärt, warum der Anschaffungspreis der M Carbon-Keramik-Bremse so viel höher ist. Dies wird jedoch teilweise durch den geringeren Verschleiß ausgeglichen.

Dieses System hat einige Besonderheiten, die Sie beachten sollten:

Bremsscheiben und Bremsbeläge bei M Carbon-Keramik-Bremsen erreichen erst nach rund 1.000 km ein günstiges Verschleiß- und Tragbild.

Aufgrund materialspezifischer Eigenschaften kann es beim Bremsen, insbesondere bei Nässe, kurz vor dem Fahrzeugstillstand zu erhöhten Betriebsgeräuschen kommen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Leistung, Betriebssicherheit oder Stabilität der Bremsen.

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Es empfiehlt sich, Bremsscheiben und Bremssättel mit einem Dampfstrahler oder Hochdruckreiniger zu reinigen, bevor Sie das Fahrzeug durch eine automatische Waschanlage oder Waschhalle fahren, um die Bildung von Verkrustungen oder Ablagerungen von z. B. Salzkristallen zu vermeiden , wenn das Auto nach der Reinigung steht. Die Reinigungswirkung solcher Waschautomaten im Radbereich des Fahrzeugs reicht dafür in der Regel nicht aus. Wie bei allen Bremssystemen ist darauf zu achten, dass ein eventuell verwendeter Felgenreiniger nur auf die Felgen aufgetragen wird.

Werden Bremsscheibe und Beläge nass, sinkt bei allen Bremsen der Reibwert. M Carbon-Keramik-Bremsen haben in der Regel einen deutlich höheren Reibwert als konventionelle Bremsen und fühlen sich deutlich härter an. Unter Einwirkung von Nässe und Streusalz, beispielsweise nach einer Autowaschanlage oder wenn sich über Nacht Kondenswasser gebildet hat, kann die Bremswirkung jedoch der einer konventionellen Bremsanlage entsprechen. Dies kann als verringerte Bremsleistung wahrgenommen werden, kann aber durch mehr Druck auf das Bremspedal ausgeglichen werden; Dies sollte fortgesetzt werden, bis die Beläge und Scheiben vollständig getrocknet sind. Da der Reibwertunterschied zwischen trockener und nasser Bremse bei M Carbon-Keramik-Bremsen höher ist als üblich, ist er für den Fahrer umso deutlicher zu spüren.

Welche Bremsen würden Sie persönlich wählen?

Die M Compound-Bremsen sind fantastisch, aber die M Carbon-Keramik-Bremsen bieten noch mehr Leistung. Ich persönlich würde trotz des höheren Preises zur M Carbon-Keramik-Bremse greifen.

[Quelle: M-Power ]